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Ein Fahrwerkwechsel bei einem Flugzeug

Fakten // Flugzeug // Insights

Hinter den Kulissen // Condor Redaktion // 24. September 2020

Das Fahrwerk eines Flugzeuges ist enormen Kräften, Temperatur- und Luftdruckunterschieden ausgesetzt. Aus diesem Grund wird es stets gründlich gewartet und muss ca. alle 10 Jahre komplett ausgetauscht werden. Bei unserer D-ABUT (Boeing 767-300ER) stand in den letzten Tagen so ein Fahrwerkwechsel an. Wir waren für euch dabei.

Die D-ABUT bekommt ein neues Fahrwerk

Das Fahrwerk eines Flugzeuges besteht aus den Reifen (die bei einer Condor Boeing 767 einen Durchmesser von etwa 117 cm haben), Felgen und Bremsen und ist aufgehängt an gedämpften Federbeinen und -streben. Es ist eines der wichtigsten und größten Bauteile am Flugzeug.

Voraussetzung für die Durchführung eines Fahrwerkwechsels ist eine entsprechende Zertifizierung, das sogenannte Base Maintenance Approval. Die Kollegen der Condor Technik besitzen dieses Zertifikat bereits seit August 2018 und konnten den Fahrwerkwechsel somit selbst übernehmen. So ein besonderes Projekt bietet zudem die optimale Gelegenheit, auch Nachwuchskräfte für diese Arbeiten zu schulen.

Fahrwerkwechsel: Ein Highlight für die Condor Techniker

Für den Austausch der Fahrwerke am Flugzeug werden generell bis zu 10 Tage eingeplant. Die Arbeiten betreut ein Projektteam, aufgeteilt in Früh- und Spätschicht. Mit dabei sind Kollegen, die bereits beim einem Fahrwerkwechsel mitgearbeitet haben und somit schon auf Erfahrungswerte zurückgreifen konnten. Für solche großen Reparaturen sind außerdem zwei zertifizierte interne Prüfer der Condor Technik vor Ort, die eine gesonderte Qualifikation haben und die Arbeiten am Flugzeug kontinuierlich überprüfen.

Neben den Experten am Flieger ist dieses Mal auch ein Kamerateam des hr-Fernsehen vor Ort. Detaillierte Einblicke zum Fahrwerkwechsel gibt es Anfang November in der Sendung „Mittendrin am Flughafen“ im hessischen Rundfunk und auf YouTube.

Schritt 1: Das Flugzeug „einhallen“

Aufgrund des verringerten Flugprogramms durch Covid-19 war die D-ABUT seit einiger Zeit am Flughafen Frankfurt-Hahn geparkt. Für den Fahrwerkwechsel wurde der Flieger zunächst flugtauglich gemacht und anschließend nach Frankfurt geflogen, sodass er für das sogenannte „Einhallen“ bereit war. Als „Einhallen“ bezeichnet man den Einparkvorgang inklusive Sicherung des Flugzeugs in der Halle.

„Nicht nur die Vorbereitung und Bereitstellung des Flugzeugs ist bei der Vorbereitung ein wesentlicher Bestandteil. Auch die Halle und Werkzeuge für den Wechsel müssen vorbereitet sein, damit wir alles zur Hand haben, sobald es losgeht“, erklärt Ralf Herbig, Head of Technical Service Condor Technik. „Wenn Reparaturen oder Checks stattfinden, welche einen längeren Zeitraum beanspruchen, nutzen wir hierfür einen Hallenplatz in der Halle 12, die sich direkt neben Condor Technik befindet. Hier führt auch Lufthansa Technik Arbeiten aus. Mit einem zusätzlichen Hallenplatz können wir sicherstellen, dass wir trotz Großprojekt auch weitere Reparaturen bei uns in der Halle durchführen können. Das gibt uns eine bessere Planungssicherheit, auch wenn es zunächst Mehraufwand bedeutet, denn wir müssen alle benötigten Tools und Werkzeuge mit in die andere Halle nehmen.“

Schrittt 2: Die Flugzeugheber in Position bringen

Nach dem Einhallen und der Sicherung der D-ABUT legen die Kollegen sofort los: Flugzeugheber, die speziell für das Aufbocken eines Flugzeugs gedacht sind, werden unter den vorgesehenen Stellen am Flugzeug positioniert. Diese sind ausfahrbar und können die Last der D-ABUT und insgesamt sogar bis zu 190 Tonnen stemmen. Über eine Fernbedienung an jedem der Heber steuern die Kollegen das gleichmäßige Anheben und Ablassen des Flugzeugs.  

30 Zentimeter über dem Boden und alles im Lot

„Eine B767 hat sechs Punkte, an denen das Flugzeug von unten angehoben werden kann. Diese Punkte sind genau berechnet und das Anheben muss an allen Punkten gleichmäßig erfolgen. Das ist wichtig, damit keine Schäden entstehen, wie beispielsweise eine Verformungen der Oberfläche. Deshalb befindet sich unter den Hauptfahrwerksschächten ein Lot, an dem während des Anhebe- und Ablassvorgangs ein Kollege steht und Anweisungen gibt. Er gibt an, wo unter Umständen langsamer angehoben werden muss, damit das Flugzeug die gesamte Zeit im gleichmäßigen Lot bleibt. Bei diesem Fahrwerkwechsel wird das Flugzeug an drei Punkten – je einen rechts und links in der Mitte und einen hinten bis zu 30 Zentimeter vom Boden angehoben“, so Herbig.

Schritt 3: Abschrauben der Panels

Sobald die Heber an den richtigen Stellen angebracht sind, beginnen die Arbeiten an den drei Fahrwerken. Im ersten Schritt werden die Panels am Flugzeugrumpf und den Tragflächen abgeschraubt. Diese befinden sich unmittelbar um das Fahrwerk und die damit verbundenen Hydraulikfunktionen. Das Abschrauben kostet Zeit, da jedes Panel mit sehr vielen Schrauben befestigt ist. Aufgrund von Umwelteinwirkungen wie Druck- und Temperaturunterschiede können sich diese verziehen und sind somit schwer zu lösen. Unter den Panels befindet sich gut geschützt die gesamte Hydraulik und Technik des Fahrwerks. Um den ordnungsgemäßen Wiederanbau sicherzustellen, beschriften die Condor Techniker alle Panels genau und tauschen einige Schrauben aus.

Schritt 4: Der Fahrwerkwechsel beginnt

Nach dem Ausbau aller Panels und der Trennung der Leitungen und Hydraulikschläuche wird der Flieger aufgebockt. Nachdem der Flieger aufgebockt ist, platzieren die Kollegen spezielle Rollvorrichtungen am Boden unter den Reifen. Anschließend wird das Flugzeug langsam wieder soweit abgelassen, dass das Gewicht der Räder auf den Rollvorrichtungen liegt. So kann das gesamte Fahrwerk trotz des Gewichts von der Stelle bewegt werden.

Nun müssen alle Teile gelöst werden, inklusive des Hauptbolzen. Dies nimmt mehrere Stunden in Anspruch und ist Präzisionsarbeit. Erst danach wird das Flugzeug erneut langsam wieder über die speziellen Heber aufgebockt, aber nur soweit, bis genug Platz ist, um die Fahrwerke darunter wegzurollen. Grundsätzlich passiert das Wegrollen nicht bei allen Fahrwerken gleichzeitig, sondern wird je Fahrwerk hintereinander gemacht.

Teamwork und Präzisionsarbeit ist gefragt

Das Fahrwerk wird vorerst unter dem Flugzeug weggerollt und an der Seite gelagert und später zur Aufbereitung an eine Werkstatt geschickt. „Der gesamte Vorgang wird unter Einhaltung der höchsten Qualitäts- und Sicherheitsstandards durchgeführt – da ist echtes Teamwork gefragt und das hat auch dieses Mal wieder hervorragend funktioniert.

Nach dem Ausbau führen die Condor Techniker Inspektionsarbeiten an allen Teilen der Hydraulik und Systemen am Flugzeug durch. Kleinere Instandsetzungsarbeiten werden sofort erledigt. Anschließend werden die neuen Fahrwerke eingesetzt, die bereits zuvor durch einen spezialisierten Logistikdienstleister geliefert wurden“, erläutert Herbig.

Schritt 5: Einbau der neuen Fahrwerke

 Auch die neuen Fahrwerke sind auf Rollvorrichtungen befestigt und können so an die entsprechende Stelle unter das Flugzeug gerollt werden. Sind alle Inspektionen und Arbeiten an den Verbindungsstellen abgeschlossen, rollen die Condor Techniker das neue Fahrwerk unter die Tragfläche und positionieren es an der passenden Stelle. Beim Anbringen der Fahrwerke kommt es auf den Winkel und das richtige Timing an. Das Fahrwerk muss mit dem Gelenk am oberen Ende genau in die zuvor durch den Ausbau entstandene Lücke passen – Millimeterarbeit.

Manchmal hilft nur noch Schmierfett

Ein Blick in die Fahrwerkschächte zeigt, wie viel Technik allein in diesem Bereich der B767 verbaut ist. Jedes einzelne Fahrwerk wird präzise in die Lücke eingefügt und dann beim Ablassen des Flugzeugs Millimeter für Millimeter angepasst, bis es an der richtigen Stelle sitzt –manchmal hilft nur noch Schmierfett.

Blick in den Fahrwerkschacht

Wenn alles sitzt, wird das Fahrwerk mit dem Hauptbolzen, der einen Durchmesser von bis zu 15 Zentimetern hat, in der passenden Position fixiert. Hierbei passen alle Teile exakt ineinander, was eine Menge Fingerspitzengefühl beim Einsetzen des Fahrwerks erfordert. Und das ist bei einem Gewicht von mehreren Hundert Kilo schon mal eine Herausforderung.     

Schritt 6: Es geht an die Feinheiten    

Sobald das Fahrwerk befestigt ist, geht es an die Feinheiten. Alle Anschlüsse und Leitungen, wie beispielsweise für die Bremsen, die Bewegung der Flaps oder die Hydraulik, werden mit dem neuen Fahrwerk verbunden. Das ist Detailarbeit und die dauert auch mal mehrere Stunden.

Beim Einbau bringen die Condor Techniker nicht nur die Panels wieder an und verbinden das Fahrwerk mit dem Flugzeug, sondern prüfen auch alle Sensoren. Das ist wichtig, um zu testen ob die die Funktionen des Fahrwerks und die Warnsignale richtig funktionieren. Nur wenn alles korrekt miteinander verbunden ist, können die Fahrwerke auch voll umfänglich genutzt werden.

Schritt 7: Der Gear Swing

Es ist so weit – der sogenannte „Gear Swing“ steht an. Hier testen die Kollegen die Funktionalität beim Ein- und Ausfahren der Fahrwerke. Und da schauen alle ganz genau hin. Nur wenn das Ein- und Ausfahren aller Fahrwerke reibungslos funktioniert, können die Arbeiten abgeschlossen werden.

Für den „Gear Swing“ ist das Flugzeug an einen Generator angeschlossen, der Strom von bis zu 115 Volt und 400 Hertz liefert. Anschließend testen die Condor Techniker den Ein- und Ausfahrprozess der Fahrwerke. Hierfür aktivieren sie alle notwendigen Funktionen aus dem Cockpit heraus. Dann kommt der spannende Moment: Funktioniert alles wie gewünscht?

„Diese Tests sind essenziell, bevor ein Flugzeug nach so einem Austausch einen Testflug macht. Wir freuen uns, dass auch dieses Mal alles so gut funktioniert hat und wir den kompletten Austausch sogar innerhalb einer Woche abschließen konnten. Zusätzlich zu dem Fahrwerkwechsel wird jetzt noch ein Intermediate Layover Service, der ILS-Check am Flugzeug durchgeführt. Erst danach wird ein Testflug stattfinden. Danach geht der Flieger wieder in den normalen Flugbetrieb. Das ist das normale Vorgehen bei solchen Instandhaltungsarbeiten“, erklärt Herbig abschließend. 

Fahrwerkwechsel erfolgreich abgeschlossen

Nach den erfolgreichen Tests und dem Testflug kann die D-ABUT somit wieder sicher und mit nagelneuen Fahrwerken zu ihrem nächsten Ziel starten. Auf die Kollegen der Condor Technik warten neue Projekte. Weitere Details zum Fahrwerkwechsel gibt es Anfang November in der neuen Staffel „Mittendrin am Flughafen“ zu sehen, der genaue Sendetermin wird noch bekannt gegeben. 

Habt ihr Fragen zum Fahrwerkwechsel oder Wünsche, welche Projekte/Tätigkeiten bei der Condor Technik wir für euch mal unter die Lupe nehmen sollen?


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