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Sind Luftlöcher und Turbulenzen wirklich gefährlich? – Ein Gespräch mit Copilotin Dunja Schneider

Hinter den Kulissen // Condor Redaktion // 17. Januar 2023

Jeder, der schon mal geflogen ist, kennt vermutlich das Gefühl, wenn kilometerweit über dem Boden das Flugzeug plötzlich anfängt merklich zu wackeln. Vor allem für Passagiere mit Flugangst beginnt hier häufig der unangenehme Teil der Reise. Doch wie gefährlich sind Luftlöcher und Turbulenzen eigentlich wirklich?

Dunja Schneider, Copilotin und Referentin im Flugbetrieb bei Condor, erklärt im Interview, was es mit diesen Naturereignissen auf sich hat und worauf Crews beim Auftreten ebendieser achten.

Copilotin Dunja Schneider

Dunja, was sind denn eigentlich diese sogenannten Luftlöcher?

Der Begriff Luftloch beschreibt die kurzfristigen Höhenveränderungen eines Flugzeuges, die immer dann auftreten, wenn Luftströmungen sich verändern. Hierbei gilt es zwischen light turbulences, moderate turbulences und heavy turbulences zu unterscheiden. Und obwohl das Wort „Loch“ die Situation ganz gut beschreibt, ist es lediglich umgangssprachlich zu verwenden. Luft ist immer um uns herum, da wir sonst in einem Vacuum wären.

Wie ernst müssen wir Luftlöcher nehmen beziehungsweise wie gefährlich sind sie?

In den wenigsten Fällen sind diese Luftlöcher gefährlich, weil sie nur auf bestimmte Höhen und Gebiete begrenzt sind. Die Dispatcher bei Condor können im Wetterbericht des Deutschen Wetterdienstes heavy turbulences erkennen und passen dann dementsprechend die Route an. Dies führt häufig zu Umwegen, die auch mit Mehrkosten für Condor einhergehen. Dafür gelingt es damit aber, Passagiere so angenehm wie möglich an ihr Ziel zu befördern.

Wie entstehen denn überhaupt Turbulenzen?

Turbulenzen können auf unterschiedlichste Weise entstehen. Die drei häufigsten Formen sind orographische und thermische Turbulenzen sowie Turbulenzen, die in Folge von einem Jetstream entstehen.

Orographische Turbulenzen entstehen zum Beispiel bei einem Gebirge, über das der Wind von der Küste herüberzieht. Einfach ausgedrückt muss sich der Wind verbiegen, um über die Berge zu kommen. Dieser Prozess setzt einen Schwung in Gang, eine Reaktion, die nicht einfach sofort hinter dem Berg aufhört. Es kommt zu „Ausschwingprozessen“, die erst kilometerweit hinter den Bergen vollständig abklingen und vor allem in Gebieten um die Alpen herum zu beobachten sind.

mögliche Orographische Turbulenzen

Thermische Turbulenzen entwickeln sich jedes Mal, wenn die Sonne sehr stark auf die Erdoberfläche eintrifft, sodass eine gewisse Hitze entsteht. Auf Grund der unterschiedlichen Farben auf der Erde (Sand ist zum Beispiel sehr hell und ein Waldgebiet sehr dunkel), nimmt die Erdoberfläche diese Strahlen unterschiedlich stark auf. Dadurch entsteht starke Hitze, die dafür sorgt, dass die heiße und dünne Luft aufsteigt und es so zu kurzfristigen Luftbewegungen kommen kann.

Thermische Turbulenzen

Ein Jetstream entsteht in großen Höhen und entwickelt sich aus Hoch- und Tiefdruckgebieten. Beispielsweise können Piloten einen Jetstream mit 150 km/h Geschwindigkeit nutzen, auf die ich mich mit dem Flugzeug, das ja auch schon eine Eigengeschwindigkeit von 800-900 km/h hat, draufsetzen kann. So schnell erhöht sich die Reisegeschwindigkeit dann auf bis zu 1050 km/h. Dieses Vorgehen sorgt auch dafür, dass die Umwelt nicht so stark belastet wird, weil der Spritverbrauch viel geringer ist. Es ist also superpraktisch fürs Fliegen, aber verursacht häufig beim Eintauchen in und Austauchen aus dem Jetstream viele Verwirbelungen, die als Turbulenzen wahrgenommen werden.

Was gilt es aus Sicht der Crew zu beachten, wenn Turbulenzen auftreten?

Wir handeln in jeder Situation nach gewissen Verfahren. Für die Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter heißt das in dem Fall also, dass sie alle losen Gegenstände verstauen sowie kontrollieren, ob die Gäste angeschnallt sind und ob sich niemand auf der Toilette befindet. Wir Pilotinnen und Piloten machen eine kurze Ansage und warnen die Gäste vor, dass es ein wenig ruckeln wird.

Falls unerwartete Turbulenzen auftreten sollten, wechseln wir als erstes die Flughöhe und reduzieren die Geschwindigkeit, sodass die besonders wackligen Momente häufig schon nach wenigen Sekunden vorbei sind. Treten Turbulenzen in Bodennähe auf, wird ein Durchstartmanöver ausgeführt, da die vorgegebenen Parameter für die Geschwindigkeit und Höhe dann häufig nicht eingehalten werden können.

Wo und wann ruckelt es im Flugzeug am meisten?

Umso weiter hinten ich sitze, in der Nähe des Ruders, umso mehr wackelt es. Das hat den Hintergrund, dass das Flugzeug aus einem elastischen Material gebaut ist und nach hinten ausschwingt. Am wenigsten wackelt es dementsprechend direkt über den Tragflächen, weil das die stabilste Stelle ist. Deshalb empfehle ich auch jedem mit Flugangst, einen Sitzplatz in der Mitte des Fliegers zu wählen.

Hast du sonst noch Tipps gegen Flugangst oder einen Rat an alle Gäste, die bei Turbulenzen unruhig werden?

Ich empfehle, nicht mir allzu vollem Magen zu fliegen. Außerdem sollte stehts ein kühler Kopf gewahrt werden. Denkt immer daran, dass es für Turbulenzen physikalische Erklärungen gibt und Flugzeuge Belastungstest ausgesetzt sind, die ein Vielfaches der alltäglichen Turbulenzen simulieren. In jedem Fall sollte der Kaffee leer sein, sonst wackelt er genauso wie das Flugzeug.

Liebe Dunja, vielen Dank für das Interview!

Ihr seht also: Mit kleinen Tipps und Tricks könnt ihr auch einen turbulenten Flug genießen und euch sicher sein, dass ein Flugzeug deutlich mehr als ein paar Windstöße aushalten kann. Luftlöcher und Turbulenzen sind ein Teil des Fliegens und völlig normal. Vielen Dank an Dunja, die uns ihren Alltag ein bisschen nähergebracht hat und hoffentlich dem ein oder anderem die Angst nehmen konnte.




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